Ausgangspunkt: Quartier Belvedere (Station Straßenbahn D, 18, Schnellbahn), Endpunkt: Bahnhof Wien Mitte, Dauer: ca. 2 – 3 Stunden
Herrschaftliche Häuser zeugen noch heute von der feudalen Vergangenheit dieses Bezirks. Viele adelige Familien errichteten hier ihre Sommerresidenzen und Palais für die Sommermonate. Heute noch deutet der Straßenname auf die ehemals betuchten Bewohner*innen hin. Beispiele dafür sind Schwarzenbergplatz – Palais Schwarzenberg, Rasumofskygasse – Palais Rasumofsky, Salmgasse – Palais Salm.
Der dritte Bezirk von Wien oder „Landstraße“, wie er auch heißt, ist aktuell Sitz vieler Botschaftseinrichtungen. Insbesondere der Bereich im Dreieck Rennweg, Heumarkt, Landstraße wird deswegen oft als Botschafts- oder Diplomatenviertel bezeichnet. So haben u.a. die Botschaft der russischen Föderation, der italienischen Republik, des Königreichs Norwegen sowie der islamischen Republik Iran ihre Adresse in diesem Teil von Wien.
Beginnen Sie Ihren Spaziergang beim Quartier Belvedere. Nehmen Sie den dem Gürtel zugewandten Eingang des Belvederegartens. Halten Sie sich auf der rechten Seite und zweigen Sie rechts in den Botanischen Garten der Universität Wien (für Details siehe: https://botanischergarten.univie.ac.at/) ab. Hier finden Sie insbesondere an heißen Sommertagen schattige Wege und Ecken zum Spazieren und Sitzmöglichkeiten zum Ausruhen. Besonders stolz ist man auf den Alpengarten mit zahlreichen Pflanzen aus dem alpinen Raum. Kehren Sie wieder zum Eingang des Botanischen Gartens zurück und wenden Sie Ihre Aufmerksamkeit nunmehr der Schloss- und Gartenanlage von Prinz Eugen (für Details siehe: https://www.bundesgaerten.at/belvederegarten/Belvederegarten.html) zu. Viele Besucher sind der Meinung, die Schönheit dieses zu den österreichischen Bundesgärten gehörenden Areals erschließt sich am besten durch die Blickrichtung vom unteren Schloss zum oberen Schloss. Daher versäumen Sie nicht, in diesem Garten eine Runde zu drehen, Garten und Schloss von unterschiedlichen Seiten zu bewundern.
Tipp: im Frühjahr und Herbst eignen sich die Sitzbänke entlang der Wege bei Schönwetter gut für eine wohltuende Rast in der Sonne und ein kurzes Sonnenbad.
Um sich sowohl an der Blütenpracht im Belvederegarten als auch an jener im Botanischen Garten sowie hoffentlich auch an den aktiven Springbrunnen im Belvederegarten erfreuen zu können, empfehle ich Ihnen, diesen Spaziergang im Zeitraum Mai – September zu machen, idealerweise in den frühen Nachmittagsstunden.
Verlassen Sie anschließend den Schlossbereich über den Ausgang Rennweg. Wussten Sie, dass hier zwischen dem 14. u. 16. Jhdt. Pferderennen stattfanden? Der Name „Rennweg“ erinnert noch daran. Überqueren Sie den Rennweg, gehen Sie kurz (rechts) stadtauswärts, bis Sie zur Salesianergasse kommen. Der Orden der Salesianerinnen ist der Namensgeber für die Straßenbezeichnung. Gehen Sie die Salesianergasse entlang bis Sie an die Beatrixgasse anstoßen. Auf Ihrem Weg kommen Sie an einigen Gebäuden im Stil des Biedermeier vorbei. Im Haus Salesianergasse 12 wurde Hugo von Hofmannsthal (Schriftsteller und Mitbegründer der Salzburger Festspiele) geboren und Hermann Bahr (Schriftsteller) wohnte hier. Von der Beatrixgasse sind es (rechts) nur einige Schritte zur Grimmelshausengasse.
Biegen Sie in die Grimmelshausengasse ein und kurz darauf erreichen Sie die kleine Grünfläche mit dem Namen „Am Modenapark“. Der Park ist nicht der Grund hierherzukommen. Das Besondere sind die Häuser um den Park und die Stadtnähe. Nicht wenige Wiener*innen würden gern ihre Wohnadresse hier haben. Attraktive Lage – ruhiges Wohngebiet, stadtnah, Innenstadt innerhalb weniger Minuten fußläufig erreichbar, gute Infrastruktur, öffentliche Verkehrsmittel ums Eck, kleiner Park vorm Haus. Die Preise für Wohnungen (egal ob Miete oder Eigentum) sind leider für Bürger*innen mit Durchschnittseinkommen kaum leistbar. Aber Schauen kostet nichts. Daher bestaunen wir die Gebäude und bemerken, dass sie aus unterschiedlichen Epochen stammen und unterschiedliche Baustildetails ihre Fassaden charakterisieren. Ein Freund meinte einmal „Am Modenapark – ein gutes Beispiel der unterschiedlichen Wiener Wohnbau-Architektur auf kleinster Fläche“.
Wir gehen die Grimmelshausengasse bis zur Strohgasse, kurz links bis zur Metternichgasse, der wir bis zur Jauresgasse folgen. Hier ist Russland „beheimatet“. Von Weitem schon sticht uns die „russische Kirche“ mit ihren fünf Kuppeln ins Auge.
Tipp: Gehen Sie hinein, bestaunen Sie auch das Innere der russisch-orthodoxen Kathedrale St. Nikolaus, insbesondere die Ikonen und den Luster, den angeblich Zar Nikolaus II gestiftet hat.
Die Kirche diente Erzählungen zufolge während des Stalinismus nur als Lagerraum – feudaler Lagerraum inmitten einer der teuersten Gegenden von Wien! Angrenzend an die Kirche sind Gebäude der russischen Botschaft zu finden. (Hinweis: die Kirche ist nicht immer öffentlich zugänglich. Erkundigen Sie sich daher vorher über die Öffnungszeiten.)
Wir gehen zurück zur Reisnerstraße und folgen dieser bis zur Neulinggasse. Biegen Sie rechts ein in die Neulinggasse, überqueren Sie in der Folge die Brücke über die Gleisanlagen der Schnellbahn und erreichen Sie nach einigen Minuten den Ahrenbergpark.
Tipp: Gehen Sie nicht raschen Schrittes zielstrebig zum Ahrenbergpark. Lassen Sie sich eher von den Eindrücken am Weg leiten. Biegen Sie in die eine oder andere Gasse ein und nehmen Sie wahr, was Sie vorfinden. Wenden Sie Ihre Blicke entlang der Hausfassaden nach oben bis zum Dach und entdecken Sie so das eine oder andere interessante architektonische Detail.
Im Ahrenbergpark selbst befinden sich zwei Flaktürme aus dem zweiten Weltkrieg. Ich verbinde mit diesem Park und den Flaktürmen eine persönliche Erinnerung. Immer, wenn ich mit meiner Mutter am Ahrenbergpark vorbeiging, erzählte sie mir ausführlich und emotional sehr bewegt, wie sie bei Luftangriffen von der Schüttelstraße im zweiten Gemeindebezirk zum Ahrenbergpark lief, um in den Luftschutzräumen vor den Luftangriffen sicher zu sein. Auch wenn diese Wettläufe um Leben und Tod bereits Jahrzehnte zurücklagen, war in ihren Augen und in ihrer Stimme immer noch der Schrecken, die Angst und Panik stark wahrnehmbar. Heute wird in einem der Türme Kunst gelagert.
Details zu den Wiener Flaktürmen: https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Flakt%C3%BCrme
Gehen Sie nun in der Neulinggasse weiter bis zur Landstraße. Übrigens, die Landstraße soll angeblich dem Verlauf einer alten Römerstraße, die einst bis nach Vindobona führte, folgen. Biegen Sie links ab und folgen Sie der Landstraße stadteinwärts, vorbei am Rochusmarkt, einem der kleinsten Märkte Wiens, der immer einen Besuch wert ist, wenn Marktzeit ist. Verspüren Sie Hunger oder Durst, so stärken Sie sich an einem der Marktstände mit einem Snack und/oder Getränk. Vielleicht inspiriert Sie die eine oder andere Ware auch für ein Gericht fürs Abendessen. Gemüse, Obst, Fleisch, Schinken, Brot, Wein, Käse – tätigen Sie Ihren Einkauf an einem der Stände. Wenn dann noch etwas fehlt fürs Abendessen, können Sie im Einkaufszentrum Landstraße/Wien Mitte unweit des Stadtparks Ihren Bedarf decken.
Die Landstraße stadteinwärts weiter gehend, vergessen Sie nicht, einen Blick in die Kirche und Apotheke des Krankenhauses St. Elisabeth, eines der ältesten Spitäler Wiens, zu werfen. Aber auch die neu renovierte Lobby des Hotel Hiltons ist, wenn nicht einen Besuch, so zumindest einen Blick wert. Wo heute das Hotel Hilton steht, stand einst eine große Markthalle – hat mir eine ältere Bewohnerin des 3. Bezirks erzählt.
Wer den Spaziergang mit etwas Süßem abrunden möchte, dem sei die Kurkonditorei Oberlaa Ecke Landstraße/Vordere Zollamtsstraße empfohlen.
Haben auch Sie neue Entdeckungen in Ihrem Grätzl gemacht? Wir freuen uns auf Ihre Geschichten! Schreiben Sie uns gerne unter: info@mobilitäts-scouts.at
Quellen:
Hinweise und Informationen von Bewohner*innen des Viertels
Flaktürme: https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Flakt%C3%BCrme
Russisch orthodoxe Kathedrale: https://de.wikipedia.org/wiki/Russisch-orthodoxe_Kathedrale_(Wien)
Landtrasse: https://de.wikipedia.org/wiki/Landstra%C3%9Fe_(Wien)